Diese Woche berichtet Autor und Kritiker Stefan Cernohuby von einer Erkenntnis, die er im Zusammenhang mit einem Autornamen hatte.

 

 

Erst vor Kurzem hatte ich ein sehr ernüchterndes Erlebnis. Einer meiner Lieblingsautoren hatte nach vielen Jahren einen neuen Roman veröffentlicht, und ich wollte ihn (natürlich) lesen. Und rezensieren, weil ich für unterschiedliche Medien als Kritiker tätig bin.

 

Als ich in den Roman hineinlas, war ich überrascht, weil der Autor nicht damit weitermachte, womit er in der Vergangenheit große Erfolge gefeiert hatte, sondern neue Wege ging. Doch neue Wege bieten auch immer wieder neue Möglichkeiten, also las ich zuversichtlich weiter. Alle Romane dieses Autors waren immerhin auf ihre Weise einzigartig gewesen. Fesselnd. Intelligent.

 

Doch dieses Werk leider nicht.

 

Als ich das Buch nach der letzten Seite aus der Hand legte, wusste ich: Hätte nicht der Name dieses Autors auf dem Cover gestanden, hätte ich das Buch spätestens nach 20 Seiten aus der Hand gelegt und nie wieder angefasst.

 

Ich versuchte, das Thema abzuhaken und zu vergessen. Aber die Enttäuschung saß tief und ich machte mir Gedanken über die Wahrnehmung der Qualität von Literatur.

 

Ich kam zu der Ansicht, dass es letztendlich nicht relevant ist, wer ein Buch geschrieben hat, sondern wie es sich selbst präsentiert – Stil, Spannung, glaubwürdige Charaktere. Ja, nicht jedes Buch ist perfekt. Viele bekannte Autorinnen und Autoren haben Werke verfasst, die sie selbst im Nachhinein nicht mögen und gerne aus ihrer Veröffentlichungsliste streichen würden.

 

Was wäre, wenn das ginge?

 

Schreibende haben die Möglichkeit, ihre Person von ihrem Werk zu trennen, üblicherweise geschieht das durch ein Pseudonym. Ein anderer Name als der des Verfassers oder der Verfasserin steht dann über dem jeweiligen Werk. Doch Pseudonyme werden meist irgendwann aufgedeckt, ob nun vom Verfassenden selbst oder neugierigen Fans. Denn die wollen wissen, wer dahintersteckt.

 

Aber ist das wichtig?

 

Man könnte noch konsequenter sein und gar keinen Namen bekanntgeben. Wenn alle Bücher und Kurzgeschichten ohne Angabe der Verfasserin oder des Verfassers erscheinen würden, müssten sie allein mit ihrer Gesamtqualität überzeugen. Und ja, auch dabei würde sich letztendlich die Spreu vom Weizen trennen. Gute Unterhaltung, spannende Thriller und zukunftsweisende Science-Fiction würden überdauern, und weniger gelungene Texte würden nach 20 Seiten beiseitegelegt werden.

 

Wäre das nicht spannend?

 

Stefan Cernohuby