Ich muss gestehen, dass ich besonders im Berufsleben viele Jahre lang tägliche sexistische Begebenheiten als normal abgehakt habe. Ob es nun selbstverständlich war, dass ich fürs Kaffeekochen abgestellt wurde, oder dass ich „Mäuschen“, „Kleine“ oder auch mal „Süße“ genannt wurde, oder dass ich mir Anzüglichkeiten in Scherze verpackt anhörte. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, ob mein Lohn geringer als der männlicher Kollegen war, weil das Geld am Ende jedes Monats auf meinem Konto gelandet ist – zuverlässig und planbar.
Seit ich mich selbstständig gemacht habe, hat sich auch mein Bewusstsein für derartige Vorkommnisse geändert. Wenn man wahrgenommen werden muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, begreift man Sexismus als Grenze, die von anderen gezogen wird. Aus Engagement wird schnell eine unnötig beschwerliche Angelegenheit. In den vergangenen Jahren wurde ich mehrfach auf Buchmessen oder am Veranstaltungsort von wildfremden Männern angesprochen, weil sie nach meinem Auftritt „mal eine Frage“ hätten. Während ich anfänglich noch dachte: „Oh, dem hat wohl gefallen, was ich mache“, denke ich heute nur noch: „Bitte lass es nicht wieder eine Anfrage sein, ob ich mich nackt vor seine Kamera stellen will.“
Was ich außerdem öfter erlebe, ist, dass ich etwas sage, und ein Mann mir dann erklärend genau dasselbe noch mal sagt. Zum Glück kenne ich inzwischen genügend Kollegen, bei denen ich glatt vergessen könnte, dass Sexismus überhaupt noch ein Thema ist (ich wünschte, ich könnte mich nur noch mit denen unterhalten, aber so klein ist der Buchmarkt dann doch nicht). Wenn ich mich mit diesen Kollegen dann über Sexismus unterhalte, lerne ich wiederum eine andere Seite davon kennen: Nämlich dass meine Kollegen mit Sexisten in einen Topf geworfen werden und sie sich Vorwürfe und Beschimpfungen anhören müssen, obwohl sie respektvoll und gleichwertig mit ihren Mitmenschen umgehen. Da werden Elemente ihrer Romane willentlich sexistisch interpretiert und unabhängig von der Handlung und dem Setting den Autoren als Grundeinstellung angelastet – um so viele Ecken kann man manchmal gar nicht denken.
Unterm Strich bleibt oftmals:
- Frauen schreiben Frauenliteratur.
- Männer schreiben alles, bedienen in ihren Werken jedoch Klischees, wenn es um Frauen geht.
- Mehr starke Heldinnen? Wer will denn lesen, wie sie auf einem Pferd ihre Periode kriegen?
- Richtige Kerle schreiben über Mord und Todschlag, Technik und Politik.
- Frauen schreiben über Gefühle. Punkt.
- Männer weinen nicht.
Die Idee zu UNKNOWN entstand, als mir mal wieder gesagt wurde, man würde meinen Roman ja gern lesen, wenn, ja wenn es keine Frauenliteratur wäre. Dabei handelt es sich bei GEISTKRIEGER um einen Phantastikroman, der in einem alternativen Universum spielt, in dem es die USA nicht gibt, dafür aber grausame, spirituelle Morde stattfinden. Was genau soll daran Frauenliteratur sein? Was soll Frauenliteratur überhaupt sein?
Als ich dieser Frage nachging, fielen so viele Klischees aus dem Hut, die eine erschreckende Antwort lieferten: Frauen, bleibt bei euren Leisten – den heißen Leisten in Arztromanen, Liebesschnulzen und Erotik. Alle Frauen schreiben viel zu gefühlvoll und legen den Fokus ja nur auf die Liebe. Alle Männer schreiben effektiv und zielführend, ohne diesen Herzschmerzquatsch.
Tatsache ist, dass es Genres gibt wie Thriller, Krimi, Romantik, Erotik, Horror etc. Genres, die Geschichten in Geschmacksrichtungen einteilen, nicht nach Geschlechtern. Frauen dürfen sich für Mord und Todschlag ebenso begeistern wie Männer sich an großen Liebesgeschichten erfreuen dürfen. Ob nun gewisse Genres vornehmlich von Männern oder Frauen gelesen werden, spielt dabei keine Rolle. Jeder soll lesen oder schreiben, was er mag. Nicht mehr und nicht weniger.
Im Video „Gibt es zu wenig Frauen in der phantastischen Literatur?“ von Creepy Creatures Reviews habe ich gesagt, dass ich es spannend fände, mal ein paar Romane ganz ohne Namen auf den Markt zu bringen. Im späteren Gespräch mit der Lektorin Hanka Leo wurde daraus: „Wie fändest du eine Anthologie ohne Namen?“ Nach diesem Treffen war die Idee nicht mehr aufzuhalten. Wir haben auf der Buchmesse bekannte Autorinnen und Autoren angesprochen, die sofort zugesagt haben. Niemand außer Hanka und mir weiß, wer alles mitmacht, wer das Cover gestaltet hat und auch sonst mit im Boot ist (nicht mal die Beteiligten). Ich bin stolz, so viele großartige Menschen zu kennen, die ihren Beitrag zu diesem Projekt leisten, obwohl ihre Teilhabe erst sehr viel später im Rahmen einer Lesung aufgedeckt wird.
Zuvor werden wir die Geschichten veröffentlichen und den Leserinnen und Lesern einen Fragebogen an die Hand geben. Alle Interessierten können uns dabei helfen, ein paar Antworten auf folgende Fragen zu finden:
Gibt es typisch männliche und typisch weibliche Schreibstile? Hat jede Geschichte eine eigene Stimme, die ohne Vorurteile besser gehört werden kann? Kann man sich besser auf Themen einlassen, wenn man sich ausschließlich mit den Texten und nicht mit den Verfassenden beschäftigt? Ist es Zeit, alte Rollenbilder und Vorurteile endgültig über Bord zu werfen? Und als kleines Rätsel: Erkennt man sogar einen Schreibstil wieder?
Um das herauszufinden, benötigen wir eure Unterstützung:
Die Anthologie wird über ein Crowdfunding bei Kickstarter finanziert und der Gewinn wird gleichwertig an alle Beteiligten ausgeschüttet. Dieses Projekt wird zwar über meinen Verlag Briefgestöber auf den Markt gebracht, aber ich verzichte auf eine Verlagsbeteiligung am Gewinn.
Also, falls auch ihr neugierig seid: Unterstützt das Crowdfunding, sagt es weiter, teilt den Link, nutzt den Hashtag #ohnenamen, teilt eure Erfahrungen und erzählt, was Gleichwertigkeit für euch bedeutet. Und wenn ihr das Projekt unterstützt, schreibt auch dazu #ichbindabei
Wir sind sehr gespannt, wo uns diese Idee hinführen wird, und wir sagen jetzt schon im Namen aller: DANKE!
PS: Solltet ihr euch jetzt fragen, warum unsere Namen in diesem ansonsten namenfreien Projekt erwähnt werden: Wir stehen voll und ganz hinter diesem Projekt und sehen neben der ganzen Organisation und Umsetzung unsere Aufgabe darin, Aufmerksamkeit zu erregen und für Fragen und Antworten da zu sein.
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