Wenn Helden sterben
Mit 16 Jahren tickte alles in meiner Welt etwas anders. Ich weiß noch, dass ich ein Geschenk offen hatte, aber nicht wusste, was ich haben wollte. Da lief auf MTV ein Musikvideo mit Johnny Depp und die Musik war auch nicht schlecht. Also ließ ich mir die Platte INTO THE GREAT WIDE OPEN schenken. Zufällig kamen Tom Petty and the Heartbreakers kurz darauf nach Hamburg. Also bettelten meine Freundin Britta und ich unsere Eltern so lange an, bis wir hingehen durften.
Ich ging als Teenager ohne konkrete Meinung rein und kam als glühender Fan wieder raus. Am nächsten Tag kaufte ich mir alle Platten, die ich bekommen konnte und hörte sie zum Leidwesen aller anderen rauf und runter. Britta war wahrscheinlich die geduldigste Freundin auf der ganzen Welt. Sie guckte die Konzertvideos mit mir und wir übersetzten zusammen die Songtexte.
Tom Petty war mit der Hakennase und den recht eigenen Gesichtszügen auch mein Lieblingsmotiv, da ich am liebsten Gesichter gezeichnet habe. Und ich habe sogar eine Tasche bestickt, obwohl ich Handarbeiten so gar nicht toll fand. Die Tasche habe ich dann nie benutzt, damit sie nicht kaputt gehen konnte.
Durch die Interviews und Songtexte habe ich mich mit Themen auseinandergesetzt, die mich davor nicht tangiert hatten. Kein andere Künstler hat mein Leben so sehr beeinflusst wie Tom Petty. Er hatte auch stets den richtigen Soundtrack zu meinen Lebenslagen geliefert. Das schlimmste, was mir damals passieren konnte, war, wenn die Batterien in meinem Walkman alle waren und ich keinen Ersatz dabei hatte. Die Songs begleiteten mich durch meine Prüfungen, Liebeskummer, die Einöde Tespe (Ja, meine lieben Eltern, ich bin damals nicht gern aufs Land gezogen), alle guten und alle schlechten Zeiten. Ich konnte es bei neuen Songs kaum erwarten, die Texte mitzulesen und zu übersetzen. An A MIND WITH A HEART OF ITS OWN hatte ich mir damals die Zähne ausgebissen, weil ich den Text einfach nicht verstehen konnte. Und dann habe ich ein Interview gehört, bei dem er bei einer Frage zu diesem Song in schallendes Gelächter ausbrach und sagte: „It’s just nonsens.“
1994 bis 1995 habe ich als AuPair in die USA gearbeitet, weil ich inspiriert von der Musik das Land kennenlernen wollte. In dieser Zeit bin ich sogar mit ein paar Pennys in der Tasche 13 Stunden mit dem Zug nach Gainesville (Tom Pettys Geburtsort) gereist – eine nahezu sinnlose Reise, aber wow, war ich happy dort.
In Richmond konnte ich ihn nochmals live sehen. Was für eine fantastische Show mit zig tausend Amerikanern, die es nicht auf den Stühlen gehalten hat. Frauen warfen ihre BH auf die Bühne, Männer waren kurz davor, vor Begeisterung auf die Stühle zu steigen. Dagegen waren die Deutschen 1999 im Docks und 2012 sitzend in der Colorline Arena grauenhaft still. Wie kann man bei einem Rockkonzert sitzen bleiben? Das werde ich garantiert nie verstehen.
Heute bin ich natürlich immer noch Fan, aber ich flippe schon lange nicht mehr aus, wenn einer seiner Songs im Radio läuft. Es war eine besondere Erfahrung, so sehr für etwas zu brennen. Ich habe eine stolze Sammlung über die Jahre zusammengetragen. Inkl. Mudcrutch Originalsingle, vielen Zeitungsausschnitten und was man sonst so als Teenager-Riesenfan brauchte.
Gestern eine Chatnachricht zu bekommen, weil jemand von seinem Tod gelesen hat und weiß, was es mir bedeutet, hat mich komplett von den Füßen geholt.
Ein großer Musiker, Songwriter, Netzwerker und Mentor ist gestorben.
Danke, Tom, für all die Inspirationen, den Trost, die Ermutigungen und die vielen Funken in meinem Leben! Deine Musik wird bleiben, aber du wirst fehlen.
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Boris Stalf (Dienstag, 03 Oktober 2017 14:56)
Schön geschrieben liebe Sonja.
Er wird mir auch fehlen, wenn ich auch nur seine alten CDs habe.
Möge er in Frieden ruhen!
Sweetbritta (Dienstag, 03 Oktober 2017 15:14)
Es ist hart wenn Diejenigen, die unser Leben beeinflusst haben, nicht mehr sind... aber in den Erinnerungen werden sie immer bleiben! Keep up the memories!!!