Bauarbeiten am Haus, ein vermeintlich leeres Nest, aus dem fünf hungrige Küken herausgucken, keine Vogeleltern weit und breit und keine Ahnung, wie man kleine Vögel groß zieht. So fing alles vor zwei Wochen an.
Was wir anfänglich für Amsel-Küken hielten entpuppte sich als die Jungen von Hausrotschwänzen. Sie gaben nicht einen Pieps von sich, kauerten eng zusammen und guckten mich mit großen schwarzen Augen an.
Zwei Tage lang waren sie so still, dass man meinen konnte, sie wären Attrappen.
Für die Vögel kamen dann auch die Mehlwürmer ins Haus. Zu Hunderten tummelten sie sich in der Schale. Wehrhafte kleine Würmer, die mit ihren winzigen Beinchen schnell wegflitzen können. Dann noch Wellensittich-Aufzuchtsfutter, eine Spritze mit Wasser und eine große Portion Neugier meinerseits.
Projektweise Vogelmama zu spielen war eine spannende und bereichernde Erfahrung.
Aus kleinen stummen Knäulen wurden bald wild zwitschernde Vögelchen, die fordernd ihre Schnäbel aufrissen und die täglich agiler wurden. Ich verzichtete auf die alberne Show, ihnen vormachen zu wollen, wie man fliegt. Ich simulierte auch nicht mit einer Pinzette einen Schnabel, um die Futtersuche zu demonstrieren. Es liegt in der Natur, all diese Dinge von alleine zu lernen.
Zumindest war ich erleichtert, als ich Recht behielt und die Kleinen nach und nach ihr Nest verließen. Einen Tag später flog der erste schon mal auf den Kistenrand, der zweite folgte, dann der dritte Vogel, der vierte und schließlich auch der fünfte. Als sie dann noch geschickt die Nahrung selbst aufpickten, wurden sie in den Garten entlassen.
Am ersten Tag in Freiheit ließen sie sich noch füttern. Die Tage danach haben wir sie noch gesehen, aber sie flogen sofort scheu davon, wenn ich auf sie zuging. Das ganze Spektakel hat eine Woche gedauert.
Und kaum waren die einen Kinder aus dem Haus, piepste mich schon wieder das nächste an: Eine Kohlmeise, die anscheinend aus dem Nest gefallen war. Den ganzen Tag lang beobachteten wir den kleinen Vogel, ob seine Eltern ihn wenigstens weiter füttern würden - das taten sie leider nicht. Und wenn der kleine Piepmatz los hüpfte, stolperte er und machte eine Rolle über den Kopf.
Fünf Vögel zusammen groß zu ziehen ist eine Sache, aber so eine einzelne kleine Kreatur? Bei den fünf Rackern konnte man genau beobachten, wie einer etwas ausprobierte und die anderen es nachmachten. In meiner Vorstellung würde ich am Ende doch anfangen, durch die Küche zu hopsen, sollte das Meisenjunge keine Ambitionen zeigen. Da ich auch nicht wusste, ob es gesund war (etwas merkwürdig sah es schon aus), nahmen mein Mann und ich die zweistündige Fahrt auf uns, um ihn in die Obhut der Wildhilfe in Soltau zu geben.
Dort kam es sofort zu anderen Kohlmeisen.
Allgemein kann man für alle Vogel-Kinder-Finder sagen:
Bevor ihr einen vermeintlich alleingelassenen Vogel mit nach hause nehmt, beobachtet genau, ob die Eltern sich nicht doch noch kümmern. Es ist normal, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Nester verlassen werden, und die kleinen dann am Boden versorgt werden.
Es gibt viele Wildhilfe-Stationen, die sich artgerecht um die kleinen kümmern. Besonders wenn man möchte, dass sie am Ende nicht als aufgepäppeltes Katzenfutter in die Welt flattern.
Infos dazu auch hier:
Nachdem ich nur eine Woche als Vogelmama Einblicke in die Arbeit mit (zugegeben: sehr pflegeleichten) kleinen Piepsern gewinnen konnte, finde ich es großartig, dass sich Menschen rund um die Uhr für Tiere in Not engagieren.
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